Heute morgen zerrte ich den Staubsauger durch den Flur. Die Düse kratzte über den Holzboden, schlürfte den Staub ein. Ich dachte an meine mutterseelenallein im Krankenhaus gestorbene alte Tante, den vergifteten Dackel aus dem ersten Stock, der dran glauben mußte, weil der Typ aus dem Erdgeschoß im Homeoffice die Nerven verloren hatte. An Bea aus dem Abendkurs, die genau einmal die Woche das Haus verläßt, um in den Supermarkt ums Eck zu gehen, und sagt, dass sie neuerdings morgens weinen muss, und irgendwie Atemstörungen hat, sobald sie in einem ZOOM-Meeting sitzt. Dann dachte ich wieder an meine Tante und das Krankenhaus. Ein explosionsartiger Knall riss mich aus meinen Gedanken. Das Staubsaugerkabel hatte sich unter dem an der Wand lehnenden Spiegel verkeilt, ihn krachend zu Boden gerissen. Ich stellte den Sauger ab. Eine geradezu heilige Stille trat ein. Vor mir lag der zersplitterte Spiegel. Glitzerte wie eine vereiste Pfütze im Sonnenlicht und zeigte mir kopfüber die Welt. All die blinden Scherben der vergangenen Monate sprangen mich an. Buhlten entfesselt um meine Aufmerksamkeit. Lächelten mit zusammengekniffenen Zähnen, fluchten. Weinten verzagt. Waren durchgeknallt, sprachlos, mutig. Komisch und verloren. Jeder Splitter schrie, wollte gesehen, gehört werden. Mir wurde fast schwindelig. Ich ging in die Küche, öffnete das Fenster. Dünne Herbstluft. Unten auf der Straße die weißen Vögel. Akazien auf dem platt gemähten Grünstreifen. Autos, Stoßstange an Stoßstange. Ich glaube, alles, so richtig alles, ist in 1000 Stücke gekracht und muss jetzt neu zusammengesetzt werden. Das ist erschreckend. Und zugleich befreiend. Geradezu sensationell. Dieser gewaltige Umbruch, der durch unsere Herzen, Köpfe und Kontinente geht. Der uns vor Schreck verharren, oder in Panik ausbrechen läßt. Uns auf die Suche schickt, nach neuen Lebensformen, nach Sinn. Diese erschütternde Erneuerung, die uns ungefragt in Atem hält. Eine erdumspannende Geschichte, Ausgang ungewiss. Und all die damit einhergehenden Scherben, namenlos. Ich dachte, ich muss das aufschreiben, irgendwie. Diesen ganzen Wahnsinn zu Papier bringen. Unten auf der Straße die weißen Vögel. Stumm und unerkannt. Akazien. Autos. Alles wie gehabt. Niemand hat es verdient, ein blinder Fleck zu sein, schoß es mir durch den Kopf.
Dann habe ich diesen Blog eröffnet.